Interview mit Dr. Thomas Klebe
Interview mit Dr. Thomas Klebe, Rechtsanwalt und ehemaliger Justitiar der IG Metall zum Thema: „Digitalisierung und Betriebsratsarbeit. Ein Blick nach vorn“
Welche Herausforderungen kommen auf Betriebsräte/die betriebliche Mitbestimmung mit der Digitalisierung zu?
In vielen Bereichen hat neben der Digitalisierung auch eine Transformation wegen der drängenden Umweltfragen begonnen. Deshalb muss es vor allem darum gehen, diesen dramatischen Wandel sozial, ökologisch und demokratisch zu gestalten.
Schwerpunkt wird dabei sein, möglichst viele Beschäftigte durch vorausschauende Strategien zur Weiterbildung und Beschäftigungssicherung mitzunehmen. Alles andere wäre auch gesellschaftlich verheerend. Es ist allerdings bedrückend, wie wenige Unternehmen Strategien für diese Umwälzung haben. Hier müssen Betriebsräte und Gewerkschaften Treiber der Entwicklung sein. Hinzu kommen neue Themen in bekannten Bereichen der Mitbestimmung, wie z.B. der Schutz der Persönlichkeitsrechte der Beschäftigten beim Einsatz von künstlicher Intelligenz oder die Gestaltung von neuen Formen der Arbeit, wie z.B. von agilem Arbeiten.
Was sollten Betriebsräte bereits jetzt tun, um sich/ihr Gremium optimal aufzustellen?
Ein Schlüssel ist, dass die Gremien eine eigene Strategie entwickeln und selbst aktiv den Wandel mit gestalten. Überall dort, wo es wichtig und sinnvoll ist, sollten die Beschäftigten aktiv in die Betriebsratsarbeit einbezogen und beteiligt werden.
Das kann z.B. über sachkundige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Befragungen oder auch Versammlungen geschehen. Zudem sind neue Kenntnisse für die arbeitspolitische Gestaltung der Veränderungen erforderlich, die sich die Betriebsratsmitglieder mit Hilfe von Gewerkschaften, Sachverständigen und Schulungen aneignen müssen. Darüber hinaus ist unverändert wichtig, dass die Gremien die Belegschaft gut abbilden mit ihren unterschiedlichen Belegschaftsgruppen und Qualifikationen.
Besteht nach Ihrer Ansicht Handlungsbedarf auf Seiten des Gesetzgebers, um diese Entwicklungen mitbestimmt zu gestalten?
Unbedingt. Bei der Beschäftigungssicherung (§§ 92a BetrVG und Interessenausgleich) ist es zwingend erforderlich, dass die Betriebsräte ein Mitbestimmungsrecht erhalten, bei der Weiterbildung (§ 97) müssen sie ein umfassendes Initiativrecht bekommen. Darüber hinaus ist, um nur die wichtigsten Fragen anzusprechen, ein Mitbestimmungsrecht bei der Personalbemessung und der Arbeitsorganisation, wie das schon vor vielen Jahren der berühmte Karl Fitting gefordert hat, zu schaffen.
Zudem sollten die Arbeitsbedingungen der Betriebsräte verbessert werden. Die Einschaltung von Sachverständigen muss erleichtert werden, der Betriebsbegriff bzw. § 3 BetrVG und der Arbeitnehmerbegriff, ich sage hier nur Plattformökonomie, müssen an aktuelle Entwicklungen angepasst werden. Und last but not least: Ich finde es unzumutbar, dass die Vergütung der Betriebsratsmitglieder noch immer nach überholten Regeln festgelegt wird und sie letztlich gegenüber den „normalen“ Beschäftigten benachteiligt werden.
Wie sieht die Betriebsratsarbeit im Jahr 2030 vor dem Hintergrund zunehmender Digitalisierung aus?
Ich bin natürlich kein Prophet. Oder um es mit Karl Valentin zusagen: Prognosen sind schwierig, insbesondere, wenn sie die Zukunft betreffen. Eins ist aber klar: Auch 2030 wird es menschliche Arbeit geben.
Auch 2030 wird künstliche Intelligenz das menschliche Gehirn, menschliche Intuition, Erfahrung, Phantasie und Empathie nicht ersetzen. Der anstehende Wandel muss und wird sozial gestaltet sein. Auch 2030 werden die Beschäftigten den Schutz und die Gestaltungsmacht von Betriebsräten und Gewerkschaften zwingend brauchen. Da ich ein Optimist bin, werden die Rechte und Arbeitsgrundlagen deutlich verbessert und angepasst sein (s.o.). Betriebsräte werden bei der Analyse der Betriebssituation und der Entwicklung ihrer Strategien selbst auch auf künstliche Intelligenz zurückgreifen. Und dann liegt es natürlich nahe, dass die Technik bei der Betriebsratswahl und –Arbeit eine größere Rolle spielt. Ich hoffe und glaube aber, dass die Sitzungen und Betriebsversammlungen weiter zwischen physisch anwesenden Menschen und nicht per Videokonferenz stattfinden.